Nachdem sich das Volleyballdorf Lintorf jahrzehntelang hauptsächlich nur durch seine auf Bundesligaebene spielenden Herren einen Namen gemacht hatte, entwickelte sich innerhalb von nur einer Saison eine zweite Galionsfigur für den VfL.
Im Schatten ihrer männlichen Vereinskollegen saß die erste Damen jahrelang in der Verbandsliga förmlich fest und schlitterte von Saison zu Saison immer wieder nur knapp am Aufstieg vorbei. Doch im März 2014 sollten ihre Mühen endlich belohnt werden.
Unter Trainer Patrick Truschkowski sicherten sie sich in der Spielzeit 2013/14 die Vizemeisterschaft mit Aussicht auf eine Relegation und einen damit verbundenen Aufstieg in die Oberliga. Die Freude ward allerdings nur von kurzer Dauer, denn schnell wurde klar, dass aufgrund der ungünstigen Abstiegskonstellationen der oberen Ligen gar kein Platz mehr für einen weiteren Aufsteiger sein könnte. Eine Relegation sollte natürlich dennoch stattfinden, da die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt. Für die Mädels und einen Bus voller Fans bedeutete dies eine feuchtfröhliche Fahrt Richtung Bremen. Dort angekommen konnte das Team mit der Lintorfer Wand im Rücken gegen alle gegnerischen Mannschaften dieses Turniers mit Leichtigkeit gewinnen und sich als „Meister der Herzen“ trotz geringer Aufstiegschancen erstmals feiern lassen.
Ein paar Wochen später dann erreichte das kleine Dorf nun die freudige Nachricht. Zwar sei kein Platz in der Oberliga des Osnabrücker- und Emslandes mehr frei, doch habe die „falsche“ Oberliga eine Lücke, die der VfL Lintorf nun füllen dürfe. Zwar hieß das für die VfLerinnen deutliche weitere Auswärtsfahrten Richtung Göttingen, Hannover, Lüneburg, … dennoch stand die Entscheidung schnell fest: CHALLENGE ACCEPTED - WIR STEIGEN AUF!
Nach der Sommerpause gingen sie also endlich in der langersehnten Oberliga an den Start, mit exakt dem gleichen Team aus Lintorfer Eigengewächsen, die sich einfach nur den Klassenerhalt mit dem ein oder anderen Sieg wünschten. Doch was dann zwischen September und März geschah versteht wohl bis heute keiner so recht. Der Neuling und ganz und gar Unbekannte in der Liga begann direkt mit zwei mehr als deutlichen 3:0-Auftaktsiegen am ersten Heimspieltag in der neuen Liga. Nicht nur die gegnerischen Mannschaften, nein auch die Lintorferinnen selbst wussten nicht, was gerade passierte. Eine Partie nach der anderen, egal ob auswärts oder daheim wurde mit Bravour und ohne Punktverlust gewonnen. Von Spiel zu Spiel wuchsen auch die Neugier und die Aufmerksamkeit von außerhalb. Nicht nur vereinsintern sprach sich der plötzliche Erfolg der Damen rum, auch der Ortsbürgermeister der Gemeinde Bad Essen Timo Natemeyer, ebenso wie Journalisten der NOZ und auch Thorsten Pisker, Macher des Leo Channels wurden immer häufiger gesehene Gäste im Volleydome. In der sonst so herren-fokussiertem Volleyballhochburg entwickelte sich ein neuer
Publikumsmagnet, der mit seiner unaufhaltsamen Siegesserie sich selbst und all seine Anhänger fortlaufend auf Wolke 7 schweben ließ.
Aus dem Vorhaben des Klassenerhaltes ist mit der Herbstmeisterschaft dann das neugesetzte Ziel des nochmaligen Aufstiegs erstmals in den Mund genommen worden. (Einige Zungen behaupten bis heute, sie hätten bereits nach dem ersten Heimspieltag gewusst und gesagt, dass der VfL Lintorf Meister werden würde.) Und bereits vier Spieltage vor Saisonende war es dann auch soweit: Der VfL Lintorf spielt auswärts bei der SVG Lüneburg um die Meisterschaft in der Oberliga.
Aber Lintorf wäre ja nicht DAS Volleyballdorf, wenn Mannschaft und Trainer nun allein Richtung Hamburg reisen würden. Nein! Ein kompletter, vollbesetzter Bus wurde gechartert, um die Mädels anzufeuern und zu feiern. Die Verantwortlichen aus dem Lüneburger Verein bereuen vermutlich bis heute, die Anweisung von Patrick Truschkowski mehr als ein Drittel freizuräumen, da Lintorf mit einem Bus komme, ignoriert zu haben. Mit Pauken und Trompeten quetschten sich die rund 40 Mitgereisten an den Spielfeldrand der gedrittelten Halle (ohne Tribüne), um die Meisterschaft ihres Teams hautnah mitzuerleben.
Doch sollte auch die Meisterschaft ähnlich wie die gesamte Saison etwas kurioser werden. Da es in der Oberliga noch Doppelspieltage gibt, musste die Mannschaft das erste Spiel pfeifen, bevor sie selbst ran durfte, um sich die Meisterschaft zu erkämpfen. Dieses Bestreben wurde ihnen allerdings schon vor Spielbeginn genommen, denn patze der ebenfalls anwesende Tabellenzweite gegen die Lüneburger und gab selbst den entscheidenden Punkt ab, der dem VfL bis dato noch zur Meisterschaft fehlte. Etwas dumm aus der Wäsche schauten die Mädels dann also als sie als
unangefochtene Nummer 1 feststanden, sich aber noch in Zaun halten mussten, da sie noch einen weiteren Satz pfeifen mussten, ehe sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen durften. Mit Abpfiff dieser Partie folgte ein kurzer Freudentaumel durch die mit Lintorfern gefüllte Halle. Aber natürlich wollten Kapitänin Lisa Hörsemann und ihr Team ihren Anhängern für die knapp 400 km weite Reise auch noch etwas bieten, weshalb sie vor Motivation und Selbstbewusstsein nur so strotzen und ihren Kontrahenten mehr als deutlich mit 3:0 -Sätzen in die Schranken wiesen. Die gebotenen Highlights für die Zuschauer waren dabei wohl der letzte Satz, den der VfL mit 25:8-Punkten gewann, die Flitzer Aktion von Töfta, der einen aufs Spielfeld geflogenen Schuh rette und Erikas berühmte Ballrettungsaktion via Fallrückzieher.
Nach dem Sieg folgte die wohl beste Busfahrt inklusive Meisterfeier für Truschkowski und seine Spielerinnen, sowie sicherlich auch für einige Fans. Freude und Euphorie kannten keine Grenzen mehr, denn stand nun fest, dass die Damen des VfL Lintorf nach ca. 40 Jahren Abstinenz in die Regionalliga zurückkehren. Dabei durften sie sich erstmals auf professionelle Schiedsrichter, Prime-Time Spiele Samstagsabends, Zentralfeld, Ballkinder und so vieles mehr freuen und fortan Hand in Hand (einige nicht nur im übertragenen Sinne) als zweites Aushängeschild im VfL Lintorf neben ihren männlichen Kollegen fungieren, was sie bis heute noch tun.
Um dennoch nicht als gedopte oder übernatürliche Wesen plakatiert zu werden, zeigte die Mannschaft etwas unabsichtlich am letzten Spieltag noch ihre Menschlichkeit. Wohl zu überheblich und zu selbstsicher unterschätzten sie ihren letzten Gegner und verloren ihr erstes und letztes Oberligaspiel knapp mit 3:2-Sätzen.
Eine wirklich unvergessliche Saison für alle Beteiligten...
L. Hinsken