50 Jahre nach Bundesliga-Aufstieg: Lintorfs Volleyballer erinnern sich an die Anfänge / Eigentlich wollten sie Handball spielen
Im Jahr 1973 sind die Lintorfer Volleyballer überraschend in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem entscheidenden Sieg im letzten Saisonspiel haben sich die Helden von damals wiedergetroffen und sich an ihre Anfänge als Schüler in Unterhemden erinnert.
„Lintorfs 1. Volleyballgarnitur sorgte für eine echte Sensation“, titelte das „Wittlager Kreisblatt“ im März 1973. Sogar der „Kicker“ berichtete unter der Überschrift „Ein Dorf gibt den Ton an!“ über das „unaufhaltsame Vordringen eines unbedarften Dorfvereins“. Immer wieder hieß es jetzt beim Wiedersehen in der Lintorfer Pizzeria Il Cavallino im Laufe des Abends: „Das weißt du noch?!“
Handball ging nicht wegen der Hallenmaße
Die Vorgeschichte liefert nämlich genug Stoff für einen unterhaltsamen wie spannenden Film. „Wir wollten eigentlich Handball spielen. Aber das war wegen der Maße der Halle und der fehlenden Sieben-Meter-Kreise bei uns nicht möglich“, erinnert sich Jürgen Latus. Nach ein paar Auswärtsspielen hatte sich das Vorhaben also schon wieder erledigt. Volksschullehrer Helmut Uhlmann erkannte aber das sportliche Talent und den Ehrgeiz seiner Schüler. Deshalb setzte er sich intensiv mit Volleyball auseinander. „Helmut war ein Autodidakt, er hat sich alles selbst beigebracht und angelesen“, lobt Klaus Staas seinen damaligen Trainer. Der Vater des Erfolgs konnte bei diesem Wiedersehen zwar nicht dabei sein, wurde aber durch seinen Sohn Hartmut vertreten – den aktuellen Abteilungsleiter Volleyball im VfL Lintorf. Staas coachte die Wittlager später selbst und musste seine Trainerlaufbahn nicht ohne Vorwissen beginnen. Der Ex-Spieler trainierte unter anderem Hannover in der Damen-Bundesliga und lebt auch heute noch in der Landeshauptstadt. Sportlich waren die Lintorfer Schüler gut auf ihre erste Partie vorbereitet. In Voxtrup bot sich ihnen dann aber ein ungewohntes Bild. „Der Gegner hatte Trikots mit Nummern. Wir waren in weißen Unterhemden dorthin gefahren“, lacht Wolfgang Wallberg. Die Nummern wurden also noch schnell mit Kohle draufgeschrieben. Kohle war genug vorhanden, da die Mannschaft auf der offenen Ladefläche des Kohletransporters der Familie Werbing angereist war. Eine Dauerlösung war das natürlich nicht. Uhlmann ließ nach dieser Erfahrung die Nummern im Handarbeitsunterricht auf Schultrikots aufsticken. „Er wusste sich immer zu helfen“, schmunzelt Staas. Und noch etwas kam den Lintorfern zunächst merkwürdig vor. „Die Voxtruper hatten vor Spielbeginn einen Kreis gebildet. Wir kannten ja noch keine Schlachtrufe und haben uns gefragt: Was rufen die da?“, erzählt Wolfgang Koepke.
B-Jugend wird 1971 Deutscher Meister
Doch schon 1971, nur fünf Jahre nach dem ersten Aufschlag in Lintorf, wurde die B-Jugend Deutscher Meister, die A-Jugend verpasste den Titel denkbar knapp. Die Talente überzeugten aber auch bei den Männern. Von der Bezirksklasse ging es direkt über Bezirksliga, Verbandsliga und Landesliga in die Regionalliga Nord, damals die zweithöchste Spielklasse. Nach zwei Niederlagen zum Auftakt fanden Latus, Wallberg und Co. zurück zu alter Stärke und verdienten sich ein Endspiel am letzten Spieltag bei Tabellenführer BffL Hannover. Lintorf musste allerdings 3:0 oder 3:1 nach Sätzen gewinnen. „Es war eine kleine, enge Halle. Das kam uns entgegen“, erzählt Wolfgang Wallberg. „Erinnerst du dich noch so genau daran?“, fragt Kurt Rieke, der damals mit 16 Jahren der jüngste Spieler im Kader war. Die mitgereisten Fans sahen am 17. März 1973 einen überzeugenden 3:0-Sieg (15:9, 15:3, 15:11) des VfL. „Wir hatten das Können, die Überzeugung und den Willen. Helmut hatte uns das eingebläut“, sagt Wallberg. Den Zusammenhalt hatte das Team seit der B-Jugend entwickelt. Der Aufstieg in die damals noch zweigeteilte 1. Bundesliga war geschafft. „Wir konnten nach unserer Rückkehr leider in keiner der drei Lintorfer Kneipen feiern, weil alle Wirte gleichzeitig Geburtstagsfeiern hatten“, erinnert sich Reinhard Elsner, der die Manageraufgaben übernommen hatte. Der Durst sei aber auch schon während der Rückfahrt im Bus ausreichend gestillt worden. Trotz der Erfolge in der Jugend und des Durchmarschs von der Bezirksklasse in die 1. Bundesliga wurden die Lintorfer belächelt. „Die vom Lande hauen wir mal eben weg“, mussten sie sich hier und da anhören. Auch wenn die Gegner im Schnitt nicht viel älter waren, in Sachen Körpergröße hatten sie oft Vorteile. „Bei einem Vorbereitungsspiel in Münster haben wir durch die offene Tür gesehen, dass da jemand hergeht. Aber der war so groß, dass der Kopf nicht zu sehen war“, erinnert sich Klaus Staas. Auf die Frage, wie die Luft da oben ist, bekam er zu hören: „Stinkt nach Zwerg“.
Der VfL etabliert sich auf der Volleyball-Landkarte
Der VfL beendete die Saison 1973/74 auf dem vierten Platz. Doch weil zur Saison 1974/75 die eingleisige 1. Bundesliga eingeführt wurde und sich nur die jeweils besten drei Mannschaften aus den Staffeln Nord und Süd dafür qualifizierten, musste Lintorf wieder runter. Die Uhlmann-Sieben kehrte aber nach nur einem Jahr in die nun eingleisige 1. Liga mit acht Teams zurück. Der VfL Lintorf hatte sich endgültig auf Deutschlands VolleyballLandkarte etabliert. „Die Leistungsfähigkeit wurde über all die Jahre durch die Jugendarbeit untermauert. Das war das Fundament“, sagt Kurt Rieke. Klaus Staas pflichtet ihm bei: „Es war und ist das Lebenswerk von Helmut Uhlmann.“ Das wissen sie in Lintorf alle noch.