Um es gleich vorweg zu sagen, hier soll am allerwenigsten eine Verunglimpfung des Führers des tibetischen Buddhismus vorgenommen werden. Es geht vielmehr darum, wie sich nicht nur Menschen Aufgaben suchen, sich ihnen stellen und an ihnen wachsen, sondern auf wunderbare Weise auch andersherum sich Aufgaben und Bestimmungen einen Menschen suchen.
Der Dalai Lama wird nicht gewählt. Nach tibetischer Tradition wird erst nach dem Tod eines amtierenden Dalai Lama ein Nachfolger gesucht. Dazu versammeln sich die buddhistischen Mönche zunächst, ähnlich der Konklave der römisch-katholischen Kirche noch dem Tod eines Papstes. Bei der letzten Zusammenkunft dieser Art soll einem der Mönche die Vision eines kleinen Kindes erschienen sein. Die Mönche reisten daraufhin quer durch das ganze Land, bis sie endlich einen zweijährigen Jungen fanden, der exakt so aussah, wie in der Vision. Er kannte auf unerklärliche Weise die Namen derjenigen, die ihn gefunden hatten und wusste, woher sie kamen. Die Mönche machten weitere Tests mit ihm und stellten ihm Fragen, die er alle auf rätselhafte Weise beantworten konnte. Für die Mönche stand jetzt fest, sie hatten den neuen Dalai Lama gefunden! Mit vier Jahren wurde er offiziell ernannt und damit zum Oberhaupt von hunderttausenden Buddhisten und gleichzeitig zukünftiger König von Tibet.
Die Parallelen zu Michael Tegtmeier, dem Ausrichter der diesjährigen Frikadellen-Wanderung, sind selbst auf den ersten Blick so offensichtlich, dass man sie eigentlich gar nicht darlegen müsste.
Da ist zunächst -vor Michaels Eintritt in die Dritte- die innere Leere der Mannschaft und die Sehnsucht nach einem Kümmerer und Organisator, einem, der sich der Aufgabe aus tiefster Seele verpflichtet fühlt.
Als sich die Wege von Michael und der Dritten dann vor Jahren das erste Mal kreuzten und er der Mannschaft als Neuling beitrat, war es trotzdem so, als wäre nach Hause gekommen. Alle wussten, das ist er. Er, auf den alle gewartet hatten. Die ersten Aufgaben löste er auf wunderbare Weise, obwohl sie ihm nie gestellt wurden. Komplett-Organisation von runden Geburtstagen, von Flugzeug-Rundflügen, Museumsbesuchen, Altstadtbummeln incl. Heimtransport, Versorgung mit opulenten Frikadellen-Buffets nach Heimspielen, frisch gegrillte Bratwürstchen nach Auswärtsspielen und Unzähliges mehr. Und das Schönste: er vermittelt bei alldem das Gefühl, dass er es aus eigenem, ganz tief verwurzeltem inneren Antrieb macht, weil er dazu bestimmt ist, nicht um anderen zu gefallen. Die Dritte braucht ihn, aber er braucht auch die Dritte.
Und nun steht es unmittelbar bevor, das Ziel der Reise, auf das seit Beginn der wundersamen Symbiose alles ausgerichtet war: Die Frikadellen-Wanderung. Sie ist quasi die Krönung, mit der der lange gemeinsame Weg einen neuen Höhepunkt erfährt.
Eine Prüfung ist sie indes nicht, denn er ist auserwählt, er ist der Dalai Lama der Frikadellen-Wanderer.